Bericht: Kolloquium: Imperial Legacies in Public Administration, 10.01.2020, Universität Wien.

Am 10.1.2020 fand das 5. Kolloquium „Staat und Verwaltung im Gespräch“ statt. In der Alten Kapelle am Campus der Universität Wien hielt Jan Vogler von der University of Virginia den auf seiner Dissertation basierenden Gastvortrag „Imperial Legacies in Public Administration“. Nach einführenden Worten von Peter Becker (Wien) stellte Vogler seine politikwissenschaftliche Untersuchung über den Einfluss und das Vermächtnis von neuzeitlichen Imperien für die aktuelle Verwaltungspraxis vor. Spezifisch betrachtete er Entwicklungen und Kontinuitäten des bürokratischen Apparates von 1918 bis heute und ergänzt das Forschungsfeld damit um einen wichtigen Aspekt. Konkret fragt Vogler nach der Rolle und Bedeutung des Imperialismus in der modernen Bürokratie und stellt die These auf, dass sich in dieser die Vergangenheit widerspiegelt, d.h. die Geschichte eines Staates tradiert wird. Gleichzeitig widersprechen seine Ergebnisse der These Webers, dass sämtliche Bürokratie zwangsläufig bei einem effizienten Modell zusammenlaufen. Dafür sieht Vogler historische Kausalitäten verantwortlich: Als Beispiel führt er das geteilte Polen an, das vom Ende des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unter preußischer, österreichischer und russischer Herrschaft stand. Zunächst identifizierte er Ähnlichkeiten und Unterschiede in den imperialen Administrationskörpern, besonders im Vergleich zwischen Preußen und Österreich.

Über die operationaliserten Begriffe „efficiency“ und „meritocracy“ versuchte Vogler die Verwaltungen daraufhin auf eine noch heute vergleichbare Ebene zu bringen. Die Ergebnisse seiner Studie zeugen von einer deutlichen Pfadabhängigkeit, sodass vor allem im Polen der Zwischenkriegszeit die Verwaltungsstrukturen deutliche Kontinuitäten zu den Vorgängersystemen aufweisen. Die kommunistische Herrschaft konnte die Unterschiede zwischen den Landesteilen zwar verringern, jedoch nicht vollständig überwinden, weshalb auch die gegenwärtige polnische Verwaltung noch von auf ehemalige historische Prozesse rekurrierende Differenzen geprägt ist. Dabei hat jedoch auch das „Zeitalter der Extreme“, das gerade in Ostmitteleuropa entscheidende Veränderungen bewirkt hat, seine Spuren hinterlassen: So konnte der Referent beispielsweise nachweisen, dass durch die großen Bevölkerungsverschiebungen vom Osten Polens in den Westen des Staates auch die zaristischen Verwaltungsstrukturen übersiedelt wurden und noch heute, sozusagen als „Enklaven“ im ehemals preußisch beeinflussten Landesteil zu erkennen sind.

Vogler führt diesbezüglich zwei Erklärungsansätze ins Feld: Zum einen vermutet er eine intergenerationelle Übertragung von Werten und Normen. Zum anderen stellt er fest, dass sich fest etablierte Einstellungen zum Staat als resilient erwiesen. Außerdem zählen die unterschiedlichen Sozialstrukturen als maßgeblicher Faktor.

Es folgten Kommentare von Claudia Kraft und Julia Bavouzet (Paris/Wien), die sich unter anderem mit der politikwissenschaftlichen – im Vergleich zur historischen – Methodologie auseinandersetzten und den Wert interdisziplinärer Zusammenarbeit betonten. Schlußendlich zeigte sich deutlich, dass der Dialog zwischen Politik- und Geschichtswissenschaft ein bisher zu wenig ausgeschöpfter Pool an Erkenntnismöglichkeiten darstellt. Die unterschiedlichen Zugangsweisen zu gemeinsamen Themen führten nicht nur zu spannenden Diskussionen, sondern auch zu neuen Perspektiven für alle Forscherinnen und Forscher.

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